Der Einkaufsprozess ist untrennbar mit dem reibungslosen Funktionieren eines Filialnetzes verbunden. Da es hierbei um viel mehr als das simple „Shopping“ geht, erfordert der Wareneinkauf die perfekte Kenntnis der Produkte, der Marken und der gesamten Modebranche.
Die Menschen im Norden….
Im Norden des Landes ist die Familie Brosius eine Referenz. Eine Erfolgsgeschichte wie kaum ein Anderer in Luxemburg. Über 30-jähriges Bestehen, neun Filialen, mehr als 60 Mitarbeiter, knapp hundert unterschiedliche Marken und…. nicht weniger als 40.000 Kilometer Fahrt pro Jahr, um eine „gute Saison“ garantieren zu können. Der logistische Fortschritt der letzten zwei Jahrzehnte ermöglicht es dem Einzelhandel sich ausschließlich auf die Kenntnisse und Fähigkeiten der Handelsvertreter verlassen zu können. Aber dies war für die Familie Brosius nie eine Option. Für Gilbert, Nicole und Jill lässt sich die Qualität, die Passform und die Verarbeitung der Ware nur mit eigenen Augen und durch das tatsächliche Anfassen beurteilen. Mano a mano. Um diesen Prozess des Einkaufs besser veranschaulichen zu können, starten wir am frühen Morgen einen Roadtrip, der uns von Luxemburg in die belgische Modehauptstadt Antwerpen führt.

Die nächste Generation
Jill, für die der Einkauf bereits zur Routine geworden ist, übernimmt das Steuer in Richtung Belgien. Jill ist die jüngste der beiden Brosius-Kinder. Diskret, aber nicht unscheinbar. Sie hat die gewisse Achtsamkeit und besitzt die Fähigkeit, ihre Arbeit zu erledigen ohne zu hetzen oder Aufregung zu verbreiten. Vor über einem Jahr hat Jill die Entscheidung getroffen, ihren Beruf als Psychomotorikerin aufzugeben um in das Familienunternehmen einzusteigen.
Wir überqueren die Grenze in den frühen Morgenstunden und haben bereits einige Kilometer zurück gelegt. Drei Stunden auf einer Reise, die es uns ermöglicht, Jill besser kennen zulernen: Ein wenig mehr über ihr Engagement im Familienunternehmen zu erfahren, über ihr neues tägliches Berufsleben, über ihre Vorliebe zum skandinavischen Design, über den neuen Concept Store, der das Einkaufszentrum Massen buchstäblich verändert hat, über das Engagement und die Loyalität der Mitarbeiter in der Modebranche, über ihre Ambitionen, über den Norden Luxemburgs…
Ankunft in Flandern
Wir kommen mitten in der Hauptverkehrszeit in Antwerpen an. Auf unserem Weg dort hin passieren wir landestypische Backsteinhäuser, ein restauriertes Anwesen, das zu seinem früheren Glanz zurückzukehren scheint, das Viertel Eilandje und seine Docks sowie das Museum Aan de Stroom.

Am Treffpunkt angekommen treffen wir auf Nicole und Gilbert. Trotz der langen Anreise scheint ihre Motivation nicht getrübt. Gilbert, der unermüdliche Unternehmer aus dem Norden, schließt den Kofferraum seines schwarzen Kombis, hat das Telefon am Ohr, die Aktentasche in der Hand. Das Tempo ist hektisch. Die 3 stehen bereits vor der Haustür des Mbym-Marken-Showrooms, als sich eine junge Frau vorstellt und höflich fragt, ob „die Anreise gut verlaufen ist“. Alles geht schnell. Kurzer Small-Talk. Der Kaffee steht kaum auf dem Tisch als schon die ersten Kleiderstangen präsentiert werden. Hier gibt es wenig Kommunikation. Alles muss sehr schnell gehen. Nicole und ihre Tochter probieren eine Reihe von Outfits an, begutachten sich gegenseitig. Einem einzigen Blick reicht. Gekauft. Ja. Nein. Sie berühren die Artikel, prüfen die Qualität der Materialien, bewerten die Passform. Sie nehmen es. Alles geht sehr schnell. Entscheidungen werden aus dem Bauch heraus aber vor allem basierend auf ihren Erfahrungen getroffen.



Gilbert ist nie weit weg. Zwischen zwei Anrufen bei seinen Mitarbeitern hat er die Situation immer aus dem Augenwinkel im Blick. Gilberts Zuständigkeit sind die Zahlen und Statistiken, der Denker des Unternehmens. Denn ja, bevor man verkauft, muss man kaufen, investieren und ausgeben. Beim Einkauf wird nicht über ein „schönes elegantes Top“ entschieden, sondern über 25 Kleidungsstücke in 6 verschiedenen Größen. Schnell wird noch der Katalog durchgeblättert, die Lookbooks mitgenommen.. und natürlich Kaffee. Alle sind sich einig, es ist Zeit zum nächsten Termin zu fahren.
Kaum haben wir uns beim ersten Termin verabschiedet, schon sind wir beim Label Tom Tailor angekommen. Wir parken entlang der Bahnsteige, gehen drei, vier Schritte und schon stehen wir im Showroom des deutschen Moderiesen. Der Standort ist, entsprechend dem Erfolg der Marke, gigantisch. Hier findet man sportliche Freizeitbekleidung in auffallenden, trendigen Farben. Dies erinnert einen an die Kampagne „Impose Ton Style“, die Calliste den Preis „Best Design and Graphic Art of the Year“ eingebracht hat. So schließt sich der Kreis.

Jill, Gilbert und Nicole sind bereits von den Kollektionen gefesselt. Vor ihnen der Vertreter. Ein großer, schlanker Mann mit dem Körperbau eines Models der als Botschafter der Marke fungiert. Er scheint bereits an den Rhythmus des Dreiergespanns gewöhnt zu sein und nimmt die Entscheidungen konzentriert zur Kenntnis. Wie bereits beim ersten Termin wird wieder anprobiert, die neusten Trend inspiziert und eine Auswahl getroffen. „Der Einkauf für den Monat steht“ sagt Gilbert beim Verlassen des Raumes. Bei Tom Tailor handelt es sich um ein Label das 12 Mal im Jahr ein Kollektion entwirft und produziert, um monatlich den Trends und Wünschen der Kunden gerecht zu werden. Stets „up to date“.


Es ist Mittag geworden und die Mägen knurren. Die Familie Brosius versammelt sich um einen Tisch, um sich kurz zwischen Sandwich und Limonade auszutauschen: „Die Kollektionen der Labels und die Entscheidungen des Käufers sind entscheidend für die Zukunft eines Einzelhandelsunternehmens wie unseres. Denn auch wenn die Marken Geschäfte weltweit beliefern, sind die endgültige Auswahl, die Qualität und die Details der einzelnen Kleidungsstücke der entscheidende Erfolgsfaktor einer Kollektion bei Calliste“, vertraut Nicole uns an. Fünf Minuten sind vergangen und weiter geht’s.
Der nächste Termin steht an! Gilbert huscht die Treppe runter, verstaut seine Aktentasche im Kofferraum und fährt los. Während wir wieder an den Docks entlang fahren, schaut Jill abgelenkt aus dem Fenster. Während der Einkaufsphasen bleibt wenig Zeit für Freizeit. „Es ist undenkbar, dass wir uns abends gemütlich auf dem Bett entspannen. Das wäre zu schön (lacht). Am Ende des Tages wird das Fazit gezogen, über die verschiedenen Kollektionen diskutiert und die Zukunftstrends analysiert. Es ist ein pausenloser Job, der viel Energie, Investitionen und Konzentration erfordert.“ Wir haben nun ein besseres Verständnis für den Erfolg von Calliste. Sie tun ALLES, ohne wirklich den Eindruck zu erwecken, dass sie arbeiten, sondern es ist die Leidenschaft zur Mode, die ihre Augen belebt.
Nächster Halt: Marc O‘ Polo. Eine Marke mit skandinavischen Wurzeln, die seit mehreren Jahrzehnten Teil der Modewelt ist. Hier dominiert die Stilrichtung modern Casual unter dem Motto „The freedom to be yourself“. Schlichte Schnitte, bequeme Passformen, zeitloser Stil, klassisch und dennoch im Trend. Die Familie Brosius hat das Auge für das gewisse Etwas. Sie wissen, dass sie sich vor allem auf solche Marken stützen müssen, die konstant einen hochwertigen Standard produzieren, gerne getragen werden und somit eine sichere Wahl darstellen.



Maria heißt uns willkommen. Trotz ihrer erst kurzen Zeit bei Marc O’Polo macht sie den Eindruck genau zu wissen wovon sie spricht. Sie kennt ihre Kollektion, hilft bei Bedarf und hält sich zurück wenn es an der Zeit ist. Der Prozess wiederholt sich. Schnell wird sich beraten, eine Auswahl getroffen und sich auf den Instinkt verlassen. Gekauft! Gekauft! Gekauft!

Jill, Nicole und Gilbert erledigen die Termine in den Showrooms mit Begeisterung ohne den Anschein zu erwecken, dass dies vorgetäuscht ist. Calliste ist ein Familienjob, das Projekt ihres Lebens, das Kind des Dreiergespanns. Familie, Freunde, Mitarbeiter. Bei Calliste ist Kleidung ein Abenteuer, eine generationsübergreifende Geschichte, in der Leidenschaft, Überzeugung und Entschlossenheit vereint sind.
